Part 13: Peli on Tour
- Benjamin Nagl
- 11. Okt. 2022
- 6 Min. Lesezeit
(09.09.2022-09.10.2022)
Abends am 09.09. kommen Polly und ich bei der Pelican of London in der Liffey an. Wir werden hier vom zweiten Offizier begrüßt und bekommen eine kleine Tour übers Schiff und unsere Kabinen. Ich teile meine Kabine mit Schiffsingenieur, Doktor und Wissenschaftlerin. Privatsspäre ist ein sehr rares Gut hier an Bord - nichts, was ich nicht gewohnt bin. Die gesamte Crew ist sehr gastfreundlich. Jeder hier ist gewohnt, dass immer wieder neue Leute an Bord kommen und ist froh, neue Personen kennenzulernen. Die Crew ist zusammengewürfelt aus der ganzen Welt - wir haben neben Leuten aus allen Teilen der UK und Irland noch Leute aus Argentinien, Chile, Dänemark, Deutschland, Tschechien und - mit mir - Österreich.
An diesem Punkt ein Paar Spezifikationen: Die Pelican of London wurde ursprünglich 1948 als arktischer Fischdampfer unter dem Namen Le Pelican in Frankreich fertiggestellt. Nach langer Aktivität in der Arktis wurde sie nach Norwegen verkauft. Nachdem sie wegen Schmugglerei beschlagnahmt wurde ging sie ins Vereinigte Königreich, wo sie zur Großmastbarkentine umgebaut wurde. Da diese Takelung eher experimentell ist, ist sie wohl die einzige ihrer Art auf der Welt. Schließlich beging sie ihre Jungfernfahrt als Pelican of London 2007 für Seas Your Future. Seitdem ist sie für das Wohltätigkeitsunternehmen im Einsatz und wird hauptsächlich als Segeltrainings- Wissenschafts- und Schulschiff für bis zu 47 Crewmitglieder eingesetzt.

Die erste Nacht verläuft ruhig, am nächsten Tag gibts erst mal Sicherheitseinweisungen, wo ist was, wie funktioniert was, etc. Etwa um die Mittagszeit kann dann mit der Arbeit begonnen werden. Ich bin als Deckhand an Bord, das heißt soviel Mädchen für alles, was an Deck erledigt werden muss - Instandhaltungsarbeiten, Segel- und Seilhandhabung, Deck schrubben, usw. Erster Job: Mastklettern und Marssegel tauschen. Nach einer kleinen Kletterunterweisung kanns losgehen. Den Mast hoch, den Rah entlang und dann erkennen, dass man noch keine Knoten kennt. Die müssen jetzt erst einmal in 20 Meter Höhe gelernt werden - naja, Schicksal. Noch etwas nervös in der Höhe überwiegt hier jedoch eindeutig die Euphorie. Nach zwei Stunden in der Höhe bin ich mit leichten Rückenschmerzen und einem Grinser vom einen Ohr bis zum anderen zurück an Deck.
Am nächsten Tag kommen die Trainees an Bord - es steht eine einwöchige "Ocean Science Voyage" an. Dabei wird den Trainees, Jugendlichen aus Irland, das Segeln sowie wissenschaftliche Grundlagen über Ozeanographie, Umwelt und Klima beigebracht. Gleichzeitig werden sie in eine Art von Citizen Science Projekten sowie Strandsäuberungsaktionen eingebunden. Nachdem die Trainees ihren ersten Tag voller Unterweisungen durchgestanden haben, kann die Reise am nächsten Tag beginnen.
In mir macht sich eine Mischung aus Vorfreude und Angst vor Seekrankheit breit. Sobald wir Dublin verlassen haben bin ich aber alle Bedenken los - das Land nur noch in weiter Ferne sichtbar, ein kühler Wind, der sich in den Segeln fängt, das mal sanfte und mal nicht so sanfte Wiegen des Schiffes in den Wellen - mir ist sofort klar, ich bin wie gemacht für die See! Während sich die Trainees in der ersten Nacht ihrer Mageninhalte entledigen stehe ich mit meinem Tee am Vordeck und genieße die kühle Gischt.
Während der kommenden Woche nutzen wir die nördlichen Winde um uns zwischen Irland und Wales hin und her Richtung Süden zu bewegen. Meine Aufgabe ist es inzwischen großteils, den Kids beizubringen wie man putzt und wie man klettert. Parallel bleibt mehr als genug Zeit, das wunderbare Wetter, den Wellengang und die Aussicht zu genießen. Nicht selten werden wir von Delphinen begleitet, die das Schiff wohl als ihre Mami sehen.
So segeln wir von Dublin aus in die Bucht Hell´s Mouth. Danach geht es zurück nach Wicklow, Irland, wo wir uns nach einem spektakulären Anlegeaktion im sehr welligen Hafen ein Bierchen im Pub verdient haben. Viel Zeit bleibt nicht, am nächsten Tag geht es direkt weiter in Richtung Solva, Ankern an der felsigen walisischen Küste. Ein Halbtag Aktivitäten für die Trainees an Land und etwas Entspannung für die Crew, bevor es nach Rosslare geht, wo die Trainees das Schiff wieder verlassen.


Wir genießen die ungewohnte Ruhe an Bord nach einer Woche Trubel. Einige andere Voluntäre kommen an Bord, die das Schiff sicher in die Niederlande bringen sollen. Ein interessanter Kontrast, nach den Jugendlichen nun mit einer vollständig erwachsenen Crew zu segeln.

Nach nur einem halben Tag in Rosslare brechen wir auf. Aufgrund kompletter Windstille bleiben die Segel leider auf ihren Masten, der Motor muss die Arbeit erledigen. Erstmals bin ich auch teil des Wachsystems: Um das Schiff 24 Stunden lang am laufen zu halten muss immer eine Gruppe von Leuten auf der Brücke sein, navigieren und Ausschau halten. Dazu werden Wachgruppen im 4 Stunden Wache - 8 Stunden Pause - Rythmus gebildet. Ich bin teil der 08:00 - 12:00 Wache. Während dieser Zeit ist oft nicht viel zu tun, deswegen muss man sich etwas die Zeit vertreiben. Sea shanties, watch dances, wir sind kreativ. Jeder von uns freut sich auf die Wache. Natürlich freut man sich auch wenn sie zu Ende ist, um dann den end of watch dance tanzen zu können.
Nächster Zwischenstopp ist Darthmouth, ein wunderschönes Dörfchen an der englischen Südküste. Bei strahlendem Sonnenschein fahren wir in die Bucht von Darthmouth ein - die Athmosphäre ist unbeschreiblich.
Unseren ersten Landgang seit den Trainees genießen wir wie klassische Seefahrer - ab ins Pub! Mit der gesamten Crew, mit der man ansonsten den ganzen Tag über arbeitet, einen trinken zu gehen und ein Pub zu stürmen ist ein absolut tolles Gefühl. Nachdem Lukas sein dänisches Trinklied verlangt muss das deutschsprachige Department nachlegen.
Da das Pub seine Dekoration leichtsinnigerweise nicht festgezurrt hat, erbeuten wir ein Paddel von diesen Landratten, arrrgh. Als wir damit aber wieder beim Schiff ankommen, sagt uns die Stimme der Vernunft...okay, es war die Stimme des Kapitäns...dass wir es zurückbringen sollen. Wir machen uns also mit dem Paddel auf den Weg zurück zum Pub um es zu retornieren. Es kommt jedoch anders.
Das Paddel ist bis heute an Bord, und wird uns immer ans The Dolphin in Darthmouth erinnern!

Weiter geht es schon am nächsten Tag in Richtung Schreveningen bei Den Haag. Nach 3 Tagen ruhiger See und Sonnenschein kommen wir in Schreveningen an, wo wir für zwei Wochen liegen werden. Wir Voluntäre helfen bei der Instandhaltung mit, lassen uns die lokalen Angebote jedoch nicht entgehen. Surfen, Skaten, ein Tagesausflug nach Amsterdam und die obligatorischen Besuche diverser Bars und Pubs - wir lassens uns gut gehen.
Allmählich schrumpft die Crew hier aber mehr und mehr. Die meisten Voluntäre machen sich auf die Heimreise, es wird immer ruhiger an Bord. Am 05.10. jedoch kommt neues Leben - die Lehrer und Wachführer für die bevorstehende Ocean College Winter Voyage kommen an Bord. Sie sind voller Vorfreude und Aufregung - ich freue mich für sie mit, auch wenn ich weiß, dass ich leider bald von Bord muss. Am 08.10. ist es dann so weit - die Überfahrt nach Amsterdam steht an.

Am Vormittag verlassen wir unseren Anlegeplatz und segeln hinaus auf die Nordsee. Es bläst ein intensiver Wind, das Wasser ist unruhig. Ein absolutes 0 auf 100 was das Schaukeln des Schiffes betrifft - ein kleiner Schock vor allem für unsere neugewonnenen Crewmitglieder, die bald mal über die Bordwand hängen. Es wird ruhiger sobald wir uns der Schleuse nähern und im Kanal nach Amsterdam sind. Schon bald sind alle wieder auf den Beinen.
Im Hafen von Amsterdam verbringe ich schließlich meine letzte Nacht auf der Pelican of London. Schweren Herzens verabschiede ich mich von all den tollen Leuten, mit denen ich segeln durfte. Für mich ist jedoch klar, das war nicht das letzte Mal, dass ich die meisten von ihnen, und auch die Pelican, sehe!
Ich bedanke mich herzlichst bei der gesamten Crew der Pelican of London und allen Leuten, mit denen ich Zeit an Bord verbringen durfte. Spezielles Dankeschön an Janice, Luisa, Jakob und Connor aus der Bosuns Fleet und Axel, Amelie, Cian, Big Ben, Lottie, Johnny, Sophie und Gastmitglied Caoimhe von der Best Watch.
So geht meine Zeit auf der Pelican of London zu Ende. Ich denke zurück an die letzten Monate - was ich gelernt habe, welche Kontakte ich geknüpft habe, wo mich meine Reise bisher hingeführt hat und wohin sie weitergehen könnte. Ich beschließe, dass es Zeit ist, das ziellose Herumreisen hinter mir zu lassen und gezielt nach Projekten zu suchen, an denen ich mich beteiligen will. Das erfordert für mich jetzt eine Ruhe - und Planungsphase. Und ich weiß auch schon, was der perfekte Ort dafür ist...
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